Wenn Sie in einem marokkanischen Restaurant Lamm bestellen, wird Ihnen wohl in den meisten Fällen das Lamm samt Beilagen in einem Schmortopf aus gebranntem Lehm serviert: Tajine. Sowohl das Gericht als auch das Gefäß für die Zubereitung tragen die klangvolle Bezeichnung. Was es mit dieser orientalischen Zubereitungsart auf sich hat, erfahren Sie jetzt.
Irdisches Schmoren
Der oder die Tajine, englisch auch Tagine genannt, ist ein Lehmtopf mit konisch (kegelförmig) zu laufendem oder gewölbtem Deckel. Der Deckel endet in einer Mulde, die mit Wasser gefüllt werden kann. Die traditionellen Tajinen verfügen über diese Mulde, besonders moderne Tajinen verzichten manchmal aber auch auf sie. Auf dem Markt finden Sie daher sowohl die eine als auch die andere Bauart. Dabei nimmt die Mulde eine ganz besondere Aufgabe wahr, nämlich die einer Dampfsperre. An traditionellen Tajinen werden Sie die Mulde daher generell vorfinden.
Das Besondere an dem Schmortopf sind seine Form und das Material. Er besteht aus einem Teller – in der Form einer Schale – und einem Deckel. Ein rundes in sich geschlossenes System ermöglicht schonendes Garen, denn die Dämpfe zirkulieren gleichmäßig im Gefäß und umschließen das Gargut. Diesen Prozess kennen Sie vielleicht schon vom Kugelgrill oder Kamado, wobei der Kamado aufgrund seiner Beschaffenheit eher an die Tajine erinnert, denn dessen Korpus wird aus Keramik gefertigt. Das Wasser in der Deckelmulde sorgt, wie oben bereits erwähnt, als Dampfsperre. Der aufsteigende Dampf wird durch das Wasser gekühlt, sodass er (zu Wasser) kondensiert und innerhalb des Topfes wieder zu Dampf wird. Auf diese Weise wird er stetig in den Garprozess zurückgedrängt und kann nicht als Gas durch den Deckel entweichen.
Die Tajine wird aus Lehm bzw. Ton getöpfert und im Niedrigbrennverfahren gebrannt, das heißt: Die Brenntemperatur ist ausreichend, um die einzelnen Bestandteile zu einer festen Form zu binden, aber erreicht nicht die Temperatur, um die Ausgangsstoffe miteinander zu verschmelzen. Es entsteht eine offenporige und somit wasseraufnehmende/absorbierende Oberfläche. Der Geschmack in einer Tajine wird nicht nur über die Gewürze und Zutaten bestimmt, sondern auch durch das Material.
Für die Zubereitung einer Mahlzeit reicht in Marokko eine Tajine aus. Es sind also Eintopf-Gerichte, die Sie darin zubereiten. Lediglich Beilagen wie Reis, Couscous oder Bulgur (Getreideschrot) werden extra gekocht. In der Tellermitte erreicht die Gartemperatur die höchste Stufe. Aus diesem Grunde werden Fleisch, Fisch und andere Zutaten mit der längsten Garzeit in der Mitte platziert, während der Rest sich um die Mitte lagert. In der Tajine gibt es übrigens keine Etagen wie zum Beispiel bei einem Kamado. Alles wird auf dem Teller verteilt und gegart. Gleich ist den beiden Arten der Außenküche die Temperaturzuführung, denn sowohl Kamado als auch Tajine werden über das Holzfeuer erwärmt. Der marokkanische Schmortopf steht traditionell auf einem Stövchen, das ebenfalls aus gebranntem Lehm besteht.
Indoor gibt es die Tajine auch für den Herd. Mit einer flachen Bodenform ist dieser Topf ebenso für Ceranfeld-Kochplatten geeignet. Dies können Sie konkret der Herstellerinformation entnehmen. Auch ein Tajine-Gericht aus dem Backofen ist eine gängige Praxis außerhalb von Marokko geworden. In Marokko selbst finden Sie die Schmortöpfe nicht nur auf Stövchen, sondern auch auf offenen Herden und anderen Feuerstätten.
Übrigens: Die Tajine gibt es nicht nur in Marokko, sondern im ganzen Maghreb. „Maghreb“ ist der arabische Begriff für „Westen“, also Nordwestafrika. Dazu zählen neben Marokko im engeren Sinne auch Tunesien und Algerien. Noch heute leben dort die „Erfinder“ der Tajine: die Berber.
Tajine vorbereiten
Im Handel erhalten Sie Tajinen naturbelassen oder glasiert, wie zum Beispiel mit Emaille versehen.
Der Lehmtopf in seiner naturbelassenen offenporigen Grundsubstanz ist wasser- und dämpfeaufnehmend. So können sich Speisegerüche leicht im Material fangen. Um das zu vermeiden, wird er vor der ersten Nutzung gewässert. Dazu legen Sie ihn in ein Wasserbad. Je nach Größe wird sich das leichter oder schwieriger gestalten. Tajinen können 15 cm oder aber auch 40 cm Umfang haben. Wie lange Sie Ihren marokkanischen Schmortopf wässern, hängt von der Beschaffenheit und Größe ab. Im Ergebnis sollte der Lehm gesättigt sein, das heißt: Er sollte nach dem Vorgang kein Wasser mehr aufnehmen können. Neben der Geruchsneutralität ist das Wässern wichtig, um einem möglichen Riss im Material von vorneherein entgegenzuwirken. Es empfiehlt sich daher, Teller und Deckel generell vor Benutzung für ein paar Minuten in ein Wasserbad zu legen.
Die Wässerung ist nur sinnvoll bei naturbelassenem Lehm. Wenn der Ton bzw. die Keramik selbst durch Glasuren veredelt wird, kann das Wässern je nach Modell auch entfallen. Die Glasur sollte wasserabweisend und geruchsneutralisierend sein. Ganz genau erfahren Sie das über die Herstellerangaben. Lesen Sie sich daher die Bedienungsanleitung durch, bevor Sie den Topf verwenden möchten. Traditionelle Taijinen werden weiterhin naturbelassen angeboten, denn Glasuren sind starre Schichten, die Temperaturschwankungen nur im gewissen Grad tragen können, sodass die Gefahr besteht, dass sie nach einiger Zeit abplatzen. Naturbelassener, offenporiger Lehm ist flexibler, bedarf jedoch regelmäßiger Pflege.
Nach der ersten Wässerung lassen Sie das Material trocknen – dann folgt die Patina. Die Patina ist eine Antihaftbeschichtung, die sich durch die Verwendung des Topfes immer wieder erneuern kann. Dazu muss sie jedoch zunächst einmalig manuell hergestellt werden. Dazu reiben Sie den Innenraum der Tajine kräftig mit Öl ein und schmoren darin aromatische Kurzspeisen scharf an, wie zum Beispiel Schmorzwiebeln. Dies hat den Effekt, dass das Lehmmaterial sein stark erdiges Aroma ein wenig verliert. Mögen Sie keine Zwiebeln, können Sie stattdessen auch stark aromatische Kräuter wie Thymian verwenden. Für die Patina-Erstellung ist nur wichtig, dass das Öl ins Material einzieht und aufgrund des Schmorvorgangs den Teller mit einer Patina veredelt. Die Patina wird sich erst schwach zeigen. Je länger sie den Topf nutzen, umso dunkler wird die Veredelung werden und umso dunkler wird auch die Oberfläche in Ihrer Tajine. Ölen Sie den Deckel ein, damit auch er eine Patina nach und nach erhalten kann.
Alternativ können Sie Schmortopf und Deckel nach der Öleinreibung in den Backofen stellen. Bei Temperaturen um die 200 Grad ist das Öl bei etwas mehr als einer halben Stunde, je nach Größe, eingezogen, sind die Poren geschlossen und die frische Patina entstanden. Im Anschluss oder vor dem Backvorgang können die Schmorzwiebeln zugegeben werden. Jedes Braten und jedes Dampfgericht werden die Patina stabilisieren.
Tajine reinigen
Wie bei vielen mit Patina beschichteten Kochgefäßen sollten Sie auch bei der Tajine auf Spülmittel und scharfe Reinigungsutensilien verzichten. Brennt Ihnen einmal das Essen an, kochen Sie einen Sud aus Wasser, Zitrone und/oder Essig auf. Der Sud weicht hartnäckige Reste auf, sodass Sie diese anschließend mit einem Mikrofasertuch final entfernen können.
Gartemperatur
Lehm- oder keramikhaltige Gefäße sind hervorragende Wärmespeicher, sodass die Wärme gleichmäßig zirkuliert und das Gargut entsprechend schonend gegart wird. Starken Temperaturschwankungen sollten Sie Ihre Tajine jedoch nicht aussetzen. Hohe Temperaturen verträgt sie ebenfalls nur bedingt. Die Gartemperatur beträgt daher max. 180°C. Im Idealfall platzieren Sie die Tajine auf ein Stövchen. Entscheiden Sie sich für den Backofen oder die Kochplatte, stellen Sie den Schmortopf erst darauf und lassen Sie ihn samt Inhalt nach und nach auf die gewünschte Gartemperatur erwärmen. Somit vermeiden Sie allzu starke Temperaturschwankungen. Beim Garen selbst müssen Sie wenig tun. Die Antihaftbeschichtung sorgt für unverbranntes Essen, der Lehm- oder Keramikbau für gleichmäßige Wärmeabgabe. Zum Anbraten benötigen Sie kaum Speiseöl, denn die Speisen schmoren in ihrem eigenen Saft.
Zutaten für die Tajine
Lamm und Hähnchen sind die Fleischzutaten für eine Tajine. Schweinefleisch ist aus religiösen Gründen in traditionellen marokkanischen Restaurants nicht auf der Speisekarte. Dafür finden Sie dort Hammel und Ziegenfleisch, seltener auch Rindfleisch. Gewürze, die viele afrikanische Eintopf-Gerichte veredeln, sind Thymian, Safran, Cayenne-Pfeffer (Chilipulver), Kreuzkümmel, Koriander, Zimt oder Kurkuma.
Typisch für marokkanische Gerichte sind außerdem Salzzitronen, in Salzlake eingelegte Zitronen. Sie werden sowohl Kalt- als auch Warmspeisen wie Tajine zugegeben.
Im marokkanischen Schmortopf wird aber nicht nur deftig zubereitet. Auch Süßspeisen gelingen darin. Häufig verwendet werden Maronen, Reis, Kokos und afrikanische Obst- und Früchtesorten wie Bananen, Feigen, Aprikosen, aber auch Äpfel, fein abgestimmt mit Gewürzen und Veredelungen wie Zimt und Arganöl. Das Öl aus den reifen Früchten des Arganbaumes ist so wie die Salzzitronen auch typisch marokkanisch.
Tajine-Gerichte werden Ihnen in der Tajine gereicht. Der Deckel ist nicht nur wichtig für den Garprozess, sondern hält auch auf dem Tisch und an der Theke die Speisen als Schutzhaube schön warm.
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